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VHS-Kassetten zeigen frühes Webdesign

Aktualisiert am von vinett-video Mediaservice

Wie wir mittlerweile wissen, ist es fast unmöglich Dinge, die zuvor im Internet veröffentlicht wurden, wieder zu löschen. Mittlerweile gibt es sogar Petitionen wie „right to be forgotten“ (deutsch: Das Recht vergessen zu werden), in denen gefordert wird, persönliche Informationen für immer aus dem Web zu löschen. Sehen wir uns jedoch beispielsweise Screenshots einer Homepage aus dem frühen Internet der 90-er Jahre an, müssen wir feststellen, dass es beinahe unmöglich ist, diese zurückzuverfolgen.

Andy Baio, ein bekannter Technologe und Betreiber der Seite Waxy.org (auf Englisch), auf der er technische Raritäten und Neuigkeiten vorstellt, entdeckte jüngst ein Portal zu einer Ära, die wir heutzutage schon fast vergessen haben: die Zeit der VHS-Kassetten. Mit diesen Videos, die mittlerweile bei YouTube verfügbar sind, eröffnet sich ein Blick in eine Zeit, welche Wegbereiter für die großen technologischen Umwälzungen der letzten 20 Jahre war.

Das Internet Archive existiert seit 1996. Dabei handelt es sich um ein Open-Source-Projekt, welches inzwischen über 435 Billionen historische Schnappschüsse von Webseiten beherbergt.

Aber was ist mit den digitalen Spuren, die schon vor dieser Zeit existierten? Auf den ersten Blick scheinen die meisten im Laufe der Zeit tatsächlich verloren gegangen zu sein. Baio jedoch fand einen Weg, die Spuren wiederzufinden. In Geschäften und der Abteilung „gebrauchte Videos“ des Webshops Amazon kaufte er für weniger als einen Dollar das Stück alte Videokassetten, auf welchen sich Instruktionen zum frühen Internet finden.

Titel wie „Computability“ und „Internet Power“ (beide Englisch) klingen heutzutage in unseren Ohren eher fremd. Tatsächlich beinhalten sie altmodischen Computerjargon, der heutzutage nicht mehr verwendet wird. Letztendlich stellte sich heraus, dass diese Videos womöglich die einzige Dokumentation dieser frühen Ära des Internets und dessen Sprachgebrauch sind.

Im Jahr 2008 begann Baio, die Videos auf verschiedenen Internetportalen, unter anderem Viddler und YouTube hochzuladen. Ersteres erlaubte das Hinzufügen von Blogbeiträgen und Annotationen. Andere erschienen auf Blip.fm, wurden dort aber ohne Ankündigung wieder gelöscht.

Die Videobänder geben uns einen Einblick in die Art und Weise, wie man Sinn und Zweck des Internets vor 20 Jahren wahrgenommen hat. Manches klingt dabei heutzutage höchst naiv-trotzdem zeigt es, wie wenig sich an der der grundlegenden Struktur des Internets bis heute verändert hat. „Das Internet wurde damals vor allem als eine große Enzyklopädie betrachtet“, so Baio. Es wurden beispielsweise Sachen gesagt wie „Eine Webseite ist wie ein Buch. Es ist in Kapitel aufgeteilt. Einen Hyperlink anzuklicken ist in etwa gleichzusetzen mit dem Auswählen einer bestimmten Seite“. Baio führt weiterhin aus: „Das Offensichtlichste, was diese alten Aufnahmen zeigen ist, wie wenig Kontrolle die Webdesigner tatsächlich hatten. Man konnte nicht einmal so simple Dinge wie die Hintergrundfarbe bestimmen. Es war stets ein verwaschener Grauton“. Es war die Zeit, in der die Schriftart Times New Roman war, Links blau angezeigt wurden und Aufzählungslisten zahlreich vorhanden waren. Selbst einfachste Entscheidungen, wie das Platzieren eines Bildes, wurden automatisch vom Browser übernommen.

Ironischerweise haben wir es in der letzten Zeit mit einer Rückkehr der „frühen Web“ Ästhetik zu tun, was wiederum die Theorie, dass ungefähr alle 20 Jahre eine Welle der Nostalgie auftritt, zu untermauern scheint. Man findet dieses Phänomen in der Mode, Musik und sogar Webdesigner schwärmen plötzlich wieder für das simple Design der 90-er Jahre und das „Alles ist möglich“-Gefühl dieser Zeit.

Dennoch geht diese Nostalgie weit über die bloße Ästhetik hinaus. Man möchte die zugrundeliegende Struktur verstehen, um zu begreifen welche Beziehung Programmierer und Webdesigner zu ihren Maschinen hatten. In diesem Zusammenhang versuchte Baio, ein altes Feature von persönlichen Webseiten wiederzubeleben: die MIDI-Datei. Diese waren sehr beliebt. Sehr klein und vom Browser unterstützt,  passten sie in den geringen Speicherplatz damaliger Computer. Heute jedoch wird diese Datei nicht mehr unterstützt. Also wandelte Baio die MIDI-Datei in eine qualititativ schlechte MP3-Datei um. Somit erhielt er den etwas unsauberen, aber authentischen Sound der 90-er. „Die heutigen Soundkarten sind einfach zu gut“, ulkt Baio. Für das Autoplay musste dann noch ein Javascript Programm hinzugefügt werden. Insagesamt war es sehr kompliziert, eine Handlung, die vor 20 Jahren zum Standard gehörte, mit heutigen Mitteln zu simulieren.

Die Geschichte des Internets zu erhalten, das ist das Anliegen von Tüftlern wie Baio. Die Beweggründe hierfür liegen auf der Hand. Um die Welt um uns herum begreifen zu können, müssen wir immer auch den Blick auf die Vergangenheit richten. Nur so wird erkennbar, wie die Welt zu der geworden ist, die sie heute ist.

Frei übersetzt nach Weiner, Sophie (2015): How Old VHS Tapes Helped Save Early Web Design.

Originaltext in englischer Sprach verfügbar unter: https://www.fastcodesign.com/3040491/how-old-vhs-tapes-helped-save-early-web-design


Autorin Christina Kliemt
Unsere Autorin Christina, 28, Masterstudentin und Mama von Sophia, schreibt für ihr Leben gern und entdeckt nun die Welt des Bloggens für sich.